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Essstörungen relativ weit verbreitet

Edition No. 93
Jul. 2012
National prevention programmes

Prävalenzstudie. Aus früheren internationalen Studien ist bekannt, dass die Prävalenz von Essstörungen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Konkrete Zahlen für die Schweiz gab es bisher jedoch nicht. Dank einer neuen Studie der Universität Zürich kann die Verbreitung dieser Krankheiten hierzulande nun beziffert werden.

Das Universitätsspital Zürich und das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich haben 2010 im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) die erste national repräsentative Studie über die Verbreitung von Essstörungen in der Schweiz durchgeführt. Dabei wurden 10 000 Personen im Alter von 15 bis 60 Jahren zum Thema befragt. Gemäss dieser Studie beträgt die Lebenszeitprävalenz von Essstörungen in der Schweiz 3,5%. Das heisst, von 100 Personen haben zwischen 3 und 4 in ihrem Leben mindestens einmal an einer Essstörung gelitten. Im europäischen Vergleich sind die Schweizer Werte vergleichbar mit den Werten aus Frankreich (4,2%), Belgien (3,5%) und Italien (3,3%). Zu den häufigsten Essstörungen gehören die Anorexie (Magersucht), die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und das «Binge Eating» (engl. binge: Gelage). Letzteres sind unkontrollierte Essanfälle ohne anschliessende Kompensation zur Verhinderung einer Gewichtszunahme, wie es bei der Bulimie der Fall ist.

Vorwiegend Frauen betroffen
Die Studie zeigt, dass Anorexie typischerweise in der Adoleszenz entsteht. Bulimie und Binge Eating hingegen entstehen eher später; auch über Dreissigjährige erkranken an diesen Essstörungen. Frauen sind wie erwartet viel stärker von Essstörungen betroffen als Männer. Am deutlichsten ist das Ungleichgewicht bei der Anorexie: Frauen leiden sechsmal häufiger an Magersucht als Männer (1,2 vs. 0,2%). Weniger ausgeprägt ist die Geschlechterdiskrepanz bei den anderen zwei Störungen: Bei der Bulimie sind es 2,4% vs. 0,9% und beim Binge Eating 2,4 vs. 0,7%.

Normalgewicht trotz Essstörungen
Essstörungen gehen nicht zwingend mit Unter- oder Übergewicht einher. Gewichtsprobleme sind nur ein mögliches Symptom dieser Erkrankungen, viele Betroffene sind normalgewichtig. Von den Anorexiekranken sind «nur» 13% untergewichtig, 82% haben ein normales Gewicht. Von den Bulimiekranken sind 5% unter-, 59% normal- und 37% übergewichtig. Bei den Binge Eatern sind 55% normal- und 42% übergewichtig. Eine von drei Personen (33,1%) mit einer Essstörung zeigt zudem Anzeichen von Orthorexie, einem auffälligen Verhalten, sich möglichst «gesund» zu ernähren.

Ernsthafte Krankheiten
Essstörungen sind ein ernsthaftes gesundheitliches Problem in der Schweiz. Sie verlaufen oft chronisch über viele Jahre und führen bei einer erheblichen Zahl von Betroffenen zu einer Invalidisierung oder gar zum Tod. Angesichts der schweren Folgen von Essstörungen ist es wichtig, die Bevölkerung für diese Krankheiten zu sensibilisieren und die Entwicklung der Prävalenz von Essstörungen aufmerksam zu verfolgen.

Beide Studien wurden anhand internationaler Standards durchgeführt und sind damit weltweit die ersten nationalen Erhebungen dieser Grössenordnung in den Bereichen Essstörungen und Alltagsbewegung. Die Ergebnisse flossen in die neue MOSEB-Broschüre «Ernährung und Bewegung in der Schweiz», (siehe Bild) ein und sind somit Teil der gesamtheitlichen Betrachtung des Gesundheitsverhaltens.

Essstörungen und ihre häufigsten Symptome

Anorexia nervosa (Magersucht)
– Weigerung, ein normales Körpergewicht zu halten
– Körpergewicht unter 85% des Normalgewichts
– Grosse Angst vor Gewichtszunahme
– Gestörte Körperwahrnehmung
– Bei Frauen: Ausbleiben der Menstruation

Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht)
– Wiederkehrende Essanfälle und Massnahmen zur Verhinderung einer Gewichtszunahme (z.B. Erbrechen, Fasten, exzessive sportliche Betätigung)
– Figur und Gewicht spielen für die Selbstbewertung eine zentrale Rolle
– Mindestens zweimal pro Woche und mindestens drei Monate lang Episoden von Fressanfällen/Erbrechen/Entleerung

Binge-Eating-Störung (Essanfälle)
– Wiederkehrende Episoden von Essanfällen ohne kompensatorische Massnahmen zur Verhinderung einer Gewichtszunahme
– Merkliches Leiden hinsichtlich der Essanfälle
– Mindestens zweimal pro Woche und mindestens sechs Monate lang Episoden von Essanfällen

Contact

Valérie Bourdin, Sektion Ernährung und Bewegung, valerie.bourdin@bag.admin.ch

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